Dieser Tage feiern wir, dass künftig Brieftauben in Regenbogenfarben die Landes- und Oberlandesgerichte Österreichs zieren werden – eine symbolische Entschuldigung im Gedenken an die Opfer der strafrechtlichen Verfolgung der LGBTIQA+ Community während der Zweiten Republik. Im Gegensatz dazu bleibt jedoch ein erschreckendes Posting eines FPÖ-Funktionärs ohne Konsequenzen.
Ein Foto von Kindern mit Regenbogenfahnen und -flaggen beim Besuch einer PRIDE-Parade wird in einer Foto-Collage gemeinsam mit einem Foto der Hitlerjugend verwendet. Dazu der Text: „Indoktriniere sie, solange sie jung sind“. Kinder, die gelebte Akzeptanz und Respekt gegenüber allen Menschen – ganz gleich ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität – durch den Besuch einer PRIDE-Parade zeigen werden mit der Hitlerjugend verglichen – und das alles unter der Überschrift der „Indoktrinierung“.
Als Verein ST. PRIDE – Queere Menschen in Niederösterreich – möchten wir zu diesem Posting Stellung beziehen und vor allem die fehlenden Konsequenzen seitens der FPÖ und der Behörden anmahnen. Aus unserer Sicht ist dieses Posting nichts weniger als eine gefährliche Form der Hetze gegen die LGBTIQA+ Community und alle, die sich für eine weltoffene, liberale Gesellschaft einsetzen.
Besonders schockierend ist dieser Vergleich, wenn man bedenkt, dass durch die Ideologie des Nationalsozialismus und damit verbundene Hitlerjugend unzählige queere Menschen auf grausamste Weise gefoltert und ermordet wurden. Durch dieses Posting werden historische Ereignisse, die während des Nationalsozialismus passiert sind, verdreht, vermeintliche Vergleiche gezogen und Zusammenhänge kreiert, die jeglicher Grundlage entbehren.
Vereins-Obmensch Oskar Beneder findet klare Worte zum aktuellen Vorfall: „Es ist beschämend, dass in Niederösterreich erneut ein solcher „Einzelfall“ bekannt wurde. Wir stehen klar für eine demokratische Gesellschaft und setzen uns für ein vielfältiges Österreich ein.“
Dass der FPÖ-Funktionär, welcher scheinbar dem engeren Umfeld von hochrangigen Funktionär:innen seiner Partei wie Landeshauptfrau-Stellvertretung Udo Landbauer und der Mostviertler-Spitzenkandidatin zur Nationalratswahl Irene Eisenhut angehört, für dieses Posting keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat ist eine ungeheuerliche Verhöhnung aller queeren Menschen und ihrer Angehörigen.
Wieder wird ein solches Verhalten von der FPÖ als „überspitzt formuliert“ und als Einzelfall abgetan. Die Stellungnahme der FPÖ, dass es sich bei dem besagten FPÖ-Funktionär um einen besorgten, umsichtigen Familienvater handle, welchem die vermeintliche „Indoktrinierung“ in Kindergarten und Schule missfalle, klingt mehr wie eine Rechtfertigung als eine Entschuldigung.
Wie es Eltern, die sich um ihre queeren Kinder sorgen, deren Kinder geliebt in Regenbogenfamilien aufwachsen oder gar Eltern, die ihre Kinder – unabhängig von deren sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Familienkonstellation – zu einem respektvollen und toleranten Miteinander allen Meschen gegenüber erziehen, mit solchen Aussagen geht, wird dabei völlig außer Acht gelassen.
„Indem solche Äußerungen von Partei-Funktionär:innen offen gesagt werden und ohne Konsequenzen bleiben können, zeigt sich, wie sehr sich die Grenzen von früher Undenkbarem zu heute wieder Vorstellbarem verschoben haben. Das ist beängstigend und alarmierend für die queere Community – vor allem mit dem Gedanken daran, wie sich das noch weiter entwickeln wird und was da noch auf uns zukommen kann“, sagt Christina Endl, Obmensch-Stellvertretung des Vereins.
Dieses Verhalten trägt gefährlich dazu bei, Hass und Hetze zu normalisieren. Wenn der Vergleich zwischen Kindern, die bei einer PRIDE-Parade Akzeptanz und Respekt gegenüber allen Menschen zeigen und einer faschistischen Jugendorganisation wie der Hitlerjugend ohne Konsequenzen bleibt, verschieben sich die Grenzen des gesellschaftlich Akzeptablen auf besorgniserregende Weise.
Hass und Hetze gegen eine Gruppe von Menschen dürfen nicht als Meinungsfreiheit verkauft und akzeptiert werden. Wir schließen uns der Einschätzung des Gedenkvereins MERKwürdig – Zeithistorisches Zentrum Melk an: Diese Verharmlosung des Nationalsozialismus und die Gleichsetzung von Täter:innen und Opfern darf unter keinen Umständen stillschweigend hingenommen werden.
Uns stellt sich die Frage: Wie viele solcher „Einzelfälle“ braucht es noch? Wie viele sind genug? Es liegt in unser aller Verantwortung Hass und Hetze nicht verharmlosend gegenüber zu blicken und stillschweigend hinzunehmen.
Es ist unsere kollektive Verantwortung als Gesellschaft, diesen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten, für ein respektvolles Miteinander einzustehen und niemals mehr zu erlauben, dass ganze Gruppen von Menschen erneut zu Opfern gemacht werden.